Der Animal Tracker: Movebank goes mobile
Wie aus der Datenbank eine App wurde
2014 im beschaulichen oberfränkischen Frensdorf: 3 Weißstorchgeschwister schlüpfen aus ihren Eiern. Bevor sie flügge werden, bekommen sie jeweils einen kleinen Rucksack umgeschnallt und mit ihm Namen: Ziegentom, Sepp und Jutta. Unter diesen Namen kann man sie fortan in der Movebank Datenbank finden. Der Rucksack ist der sog. tag, der Sender, der die Bewegungsdaten der besenderten Tiere aufnimmt und über das Handynetz in die Movebank-Datenbank überträgt. Bis hierhin ist alles bekannt. Neu ist seit 2014 der Animal Tracker.
Wenn aus der Arbeit mit Schülern Neues entsteht
Auch – und vielleicht sogar v. a. – Wissenschaft braucht PR. Und so verfügt das Max-Planck-Institut für Ornithologie (MPIO) in Radolfzell am Bodensee über das MaxCine und stellt regelmäßig u. a. Schülergruppen seine Arbeit vor. Dass jedoch durch eine dieser Schülergruppen eine Idee geboren wurde, die Wissenschaftlern weltweit bei ihrer Feldforschung hilft, ist außergewöhnlich. Dies geschah jedoch 2013 mit dem Animal Tracker.
Schüler, die bei der Besenderung und Namensvergabe von jungen Störchen mitgeholfen hatten und anschließend die ersten Flugversuche „ihrer“ Tiere beobachteten, kamen auf folgende Idee: Könnte man nicht eine Handy-App entwickeln, die den Flug der Tiere aufzeichnet und man dann am Handy den Flug der Tiere in den Süden mitverfolgen kann?! – Ja, man kann und man hat es getan.
Eine spontane Schüleridee wird realisiert
Seit 2014 hat die Movebank Datenbank einen mobilen Ableger: die Animal Tracker App. Sie ermöglicht es jenseits vom Computer unkompliziert „im Feld“ am Handy die Tiere zu orten und Beobachtungen und den aktuellen Standort in die Datenbank einzupflegen. So kann jeder Interessierte immer am Handy sehen, ob ein besendertes Tier in der Nähe ist, und seine Beobachtungen in die Datenbank-App einpflegen. Wie bei der Movebank Datenbank selbst ist die App ebenfalls ohne Registrierung und für IOS sowie Android Geräte nutzbar. Man kann sie kostenlos im Play Store aufs Handy runterladen.
Die App ist nicht nur eine sehr gute PR-Maßnahme für das MPIO, das die App u. a. in Schulen vorstellt, sondern hat auch zum Ziel, Menschen für Vogelkunde zu begeistern – im Sinne der „Citicen Science“: Der Bürger soll mitmachen bei wissenschaftlichen Studien. Von Anfang an bestand der Wunsch, über das Social Sharing Feature weitere Informationen von Beobachtern zu bekommen und die Feldforschung von Biologen zu erleichtern. Die Zielgruppen der App sind somit neben Wissenschaftlern auch Interessierte wie Hobby-Ornithologen oder Schülergruppen.
Der Animal Tracker
Der Animal Tracker ist Teil der Movebank Datenbank und enthält ausgewählte Tierarten und Studien, die man live verfolgen kann. Das MPIO entscheidet, welche Studien in den Animal Tracker aufgenommen werden. Die App verfügt nur über einen Auszug aus den Gesamtdaten, etwa ein Hundertstel, abhängig von der Datenmenge, die vom besenderten Tier geliefert wird, denn der Speicherplatz ist begrenzt.
In der Regel werden einmal täglich Positionsdaten der Tiere an die App gesendet. Die „Echtzeit“ ist somit bei der App und in der Movebank Datenbank gleich. Allerdings landet in der App nur ein Hundertstel der Datenmenge und die App enthält nur Bewegungsdaten der letzten 12 Monate, die Movebank Datenbank dagegen alle verfügbaren Daten und in voller zeitlicher Auflösung. Laut App Store gibt es mittlerweile 10.000 Nutzer der Animal Tracker App.
Umfang und Features
Tierarten: Der Animal Tracker enthält eine Liste aller in der App enthaltenen Tierarten mit einem Text. Die Haupttierarten sind Störche aus dem Storchendorf Böhringen bei Radolfzell und die sog. Waldrappen, eine bis zu ihrer kürzlichen Wiederentdeckung in Syrien als ausgestorben geltende Vogelart aus Österreich und Italien. Momentan sind sowohl 80 Störche und ebenso viele Waldrappen in der App gelistet sowie 46 Raufußbussarde.
Position: Eine Weltkarte zeigt die aktuelle Position der insgesamt ca. 300 derzeit in der App zu findenden Tiere. Die Farbe des auf der Karte eingetragenen Tiersymbols gibt Auskunft über die Aktivität: Grün bedeutet, dass der letzte Kontakt mit dem Tier innerhalb der letzten Woche erfolgte, gelb bedeutet, dass der letzte Kontakt über eine Woche, grau über einen Monat zurück liegt. Über „Beobachtung hinzufügen“ kann jeder zusätzliche Infos in die App eingeben und sogar eigene Fotos der Tiere hochladen, denn die tags übermitteln nur die Bewegungsdaten.
Tätigkeit: Was das Tier an dem Ort gemacht hat (gefressen, geschlafen …) und ob es alleine oder mit Artgenossen zusammen war, das verrät der Bewegungssender nicht. Infos darüber sind sehr wertvoll für die Forscher. Aus diesem Grund besteht großes Interesse seitens der Wissenschaft, dass man eigene Beobachtungen in die App einpflegt. Der User kann auch Favoriten markieren – bookmarken – und im Menu direkt diese Tiere aufrufen, um z. B. zu erfahren, wie weit sich ein Tier seit dem letzten Aufruf bewegt hat.
Und was verrät die App nun über Ziegentom?
Zunächst einmal den Namen, ein Foto, die Tierart, Geburtsort und -jahr, Anzahl und Namen der Geschwister sowie die genauen Koordinaten vom letzten georteten Standort des Tieres mit Zeitangabe. Zudem informiert die App über den zurückgelegten Weg des Tiers im letzten Jahr. Ziegentom hat 10.506 km (Stand 10.11.2016) zurückgelegt und dabei folgende Länder besucht: Von Mai bis September 2015 hielt er sich in Deutschland auf, dann startet seine Reise nach Afrika.
Die Route verlief durch folgende Länder: Österreich, Ungarn Rumänien, Bulgarien, Türkei, Syrien, Libanon, Israel, Ägypten, Sudan, Tschad, Niger, Libyen, Algerien, Tunesien. Aktuell – Mai 2016 – hält er sich in Tunesien auf. Man kann sich seine Route genau ansehen und bekommt gleichzeitig die Infos zu welchem Zeitpunkt er an welchem Ort war. Insbesondere bei den Langstrecken ist sehr interessant zu sehen, dass Ziegentom im September 2015 nur 2 Wochen von Österreich bis Syrien brauchte, sich aber seit Mitte November letzten Jahres 4 Monate im Tschad aufhielt.
Er war im Dezember 2015 im Tschad, aber nicht zeitgleich mit seinem Bruder Sepp. Dessen letzte übermittelte Aktivität kam am 20. August 2015 aus Libyen. Sepp hielt sich in den letzten 12 Monaten im Tschad, in Libyen und im Sudan auf. Von Jutta, der Schwester von Ziegentom und Sepp, enthält der Animal Tracker keinerlei Informationen. Man kann davon ausgehen, dass sie verstorben ist oder den Sender verloren hat.
Weiterentwicklung der App
Der Animal Tracker wird fortlaufend weiterentwickelt. So hat sich z. B. bei der Nutzung herausgestellt, dass Forscher bei ihrer Feldforschung Offline-Karten benötigen, da sie sich oft in Gegenden mit schlechter Netzabdeckung aufhalten und sie zudem teure internationale Tarife fürs Daten-Roaming benötigen. Ein Wunsch der Nutzer war somit die Möglichkeit, lokale Daten runterladen und dadurch ohne Internet mit den Karten arbeiten zu können. Diese Funktion wird gerade realisiert.
Weitere Ziele des Entwicklerteams sind die Aufnahme anderer Tierarten in die App, ein Konzept für die Studien, um gezielt nach ihnen suchen zu können, sowie ein privater Modus, damit man mit sensiblen Daten die App ebenfalls nutzen kann. Dies würde sicherstellen, dass Daten über seltene Tiere geschützt sind und nicht missbraucht werden können. Unklar ist momentan noch, ob auch verstorbene, ehemals besenderte Tiere weiterhin in der App gelistet bleiben. Da Patenschaften z. B. von Störchen auch verkauft werden, kam die Idee auf, die Tierinfos weiterhin verfügbar und somit nachlesbar zu halten, quasi als Andenken an das Tier.